Der Westwall eine Zusammenfassung von F.Wein

Von der Wiese zum Bunker zur Wiese


Unterschiedliche Wahrnehmungen in Bezug auf die Westbefestigungen
1935–2015

Im Geheimen: Planung und Bau von Befestigungsanlagen bis 1937

Mit den Festsetzungen des Versailler Vertrags von 1919 war es Deutschland verboten, links des
Rheins sowie in einer Zone, die sich in einer Breite von 50 km auf der rechten Rheinseite erstreckte,
Truppen zu stationieren und üben zu lassen. Ferner war es in diesem Bereich verboten,
Befestigungen zu unterhalten und zu errichten. Dies führte dazu, dass alle kaiserlichen Befestigungen,
die bis 1918 dort entstanden waren, geschleift werden mussten – als Beispiele seien
hier die Feste Istein nördlich von Weil am Rhein oder die Festung Köln genannt. Die Trümmer
und Reste dieser Befestigungsanlagen sind teilweise bis heute im Gelände erhalten und kehren
erst langsam wieder in das Bewusstsein der Bevölkerung zurück. Doch sie sind nicht Teil dieser
Betrachtung unterschiedlicher Wahrnehmungen der einige Jahre später entstandenen Westbefestigungen
Die Verantwortlichen in Deutschlands verbliebenem Militär, der Reichswehr, machten sich
bereits in den frühen 20er Jahren Gedanken darüber, wie ein feindlicher Vorstoß sowohl aus dem
Westen als auch aus dem Osten mit den vorhandenen Kräften abgewehrt werden könnte. Hierbei
rückte die Betrachtung der schmalen Stelle zwischen Frankreich und der Tschechoslowakei in
der Gefährdungsbeurteilung ganz nach vorne, war es doch dort möglich, bei einem gleichzeitigen
Angriff aus West und Ost Deutschland in zwei Teile zu zerschneiden. Unter Berücksichtigung der
50-km-Zone entstanden so Planungen für den Bau von Verteidigungsanlagen entlang der Flüsse
Neckar und Enz (die spätere Neckar-Enz-Stellung) sowie in der Wetterau, an Main und Tauber
(die spätere Wetterau-Main-Tauber-Stellung). Im Osten Bayerns wurden ebenfalls Befestigungen
geplant, hier sollte die Bayrisch-Tschechische Grenzstellung entstehen. Finanzielle Gründe verhinderten
jedoch den Ausbau dieser Stellungen in der Zeit bis 1933. Eine weitere Maßnahme in
der 50-km-Zone war der Einbau von festen Schranken an den Grenzübergängen, die Erkundung
von Sperren und Sprengstellen im Schwarzwald sowie die militärische Schulung von Zöllnern
und Grenzschützern. Dazu gehörten auch umfangreiche Übungen der badischen Landespolizeiim Schwarzwald, im Odenwald und im Rheintal. Bis auf die Übungen der Polizei wurden alle
diese Planungen und Schulungen im Geheimen vorgenommen. Daran änderte sich auch durch die
Machtübernahme durch Adolf Hitler am 30. Januar 1933 zunächst nichts.
Mit dem Jahr 1935 wurden im Westen Deutschlands unter Berücksichtigung der Festsetzungen
von Versailles die Planungen der Reichswehr zum Festungsbau durch die Festungspioniere
und zivile Firmen umgesetzt. Nun wurden die beiden Stellungen entlang von Neckar und Enz
sowie von der Wetterau über den Main an die Tauber gebaut. In der Neckar-Enz-Stellung waren
es über 400 Anlagen, die vornehmlich zur Unterbringung von Soldaten und dem Einsatz von
Maschinengewehren vorgesehen waren. Die Orte, an denen diese Bauwerke errichtet wurden,
waren in den Jahren zuvor bereits akribisch erkundet worden. Doch erst mit dem Bau der Anlagen
erfuhren die Eigentümer, was mit ihren Grundstücken geschah. Da die Errichtung der Landesverteidigung
diente, hatten sie keine Möglichkeit, dagegen vorzugehen. Entweder mussten sie verkaufen
oder sie wurden entschädigt, im schlimmsten Fall auch enteignet. Ein Vollzug des Kaufs
im Grundbuch wurde oft nicht vorgenommen, zu geheim war das Bauvorhaben.
Ein Jahr später interessierten die Versailler Regelungen nicht mehr. Nun wurden die ersten
Bunker der Westbefestigungen innerhalb der 50-km-Zone gebaut. In Baden-Württemberg waren
dies der Ettlinger Riegel, der sich in Teilbereichen an dem Verlauf der Ettlinger Linien, einer alten
Befestigungslinie zwischen Schwarzwald und Rhein, orientierte, die Sperrstellen am westlichen
Schwarzwaldrand und Sperrbefestigungen direkt vorne an den Rheinübergangstellen. Ihnen folgte
1937 die Korker Waldstellung östlich von Kehl, die das Kinzigtal als West-Ost-Vormarschweg
sperren sollte. Allen diesen Linien und Bauwerken war eines mit den in den beiden Jahren zuvor
errichteten Anlagen gemeinsam: Sie wurden im Geheimen errichtet. Ihr Bau war so geheim,
dass selbst Berichte über archäologische Funde zurückgehalten oder nur mit vagen Ortsangaben
versehen wurden. Selbst die Bezeichnung dieser Baumaßnahmen wies noch nicht auf den späteren
Begriff Westwall hin. Vielmehr wurden sie in den örtlichen Unterlagen als Westbauten oder
ähnlich bezeichnet.

 

Abb. 1: Eine Schartenplatte für den Einsatz eines Maschinengewehrs (MG) eines Bunkers der Neckar-Enz-
Stellung. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 2: Bei den Bauwerken wurde Wert auf eine ausreichende Tarnung gelegt. Dieser MG-Schartenstand
einer Sperrstelle im Schwarzwald wurde im Bereich der Schartenplatte mit einer Vorsatzschale ausgestattet,
die wie eine Stützmauer aussah. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 3: Mit solchen bodenebenen Steckschienensperren wurden die Wege und Straßen, die von Westen
her durch die Sperrstellen am westlichen Schwarzwaldrand hindurchführten, ausgestattet. Sie konnten
im Bedarfsfall mit H-Profil-Trägern ausgestattet werden, die die Straße wirkungsvoll gegen Fahrzeuge und
leichte Panzer sperren konnten. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 4: Im Rheintal mit seinem hohen Grundwasserstand wurden an mehreren Stellen nasse, das heißt mit
Wasser gefüllte, Panzergräben angelegt. Foto: Friedrich Wein.

 

 

Überhöhung mit Hilfe von Propaganda

 


Ab 1938 begann eine Intensivierung der Baumaßnahmen. Die Politik griff nun massiv in das
Bauvorhaben ein und bewirkte, den Termin der Fertigstellung bzw. der Einsatzbereitschaft von
1952 auf Oktober 1938, dem geplanten Beginn des deutschen Angriffs auf die Tschechoslowakei,
vorzuverlegen. Dies war nur mit einem hohen Kräfteeinsatz zu bewerkstelligen, den die Festungspioniere
mit den von ihnen beauftragten zivilen Firmen nicht leisten konnten. So wurde nun die
bisher mit dem Autobahnbau beauftragte Organisation Todt (OT) und der Reichsarbeitsdienst
(RAD) herangezogen. Dazu mussten aber zunächst vereinfachte Bunker-Grundrisse entworfen
werden, die schneller zu bauen waren. Außerdem wurde das bereits vorhandene System der Regelbauten
ausgeweitet, mit dem für jedes Bauwerk der Materialbedarf und der Personaleinsatz
vorab festgelegt werden konnte. Parallel zu dem hohen Kräfteeinsatz unter dem Leitspruch „Wir
bauen des Reiches Sicherheit“ wurden alle verfügbaren Mittel der Propaganda eingesetzt, um die
Befestigungslinie zur unüberwindbaren Hauptkampflinie im Westen Deutschlands zu stilisieren
und den Begriff „Westwall“ zu prägen. So wurde der Wert der Befestigung überhöht. Die Realität
sah ganz anders aus – noch Anfang Oktober 1938 war der Westwall eine einzige Baustelle, die
keinen hohen Verteidigungswert besaß. Dies musste auch Adolf Hitler bei seiner ersten Westwall-
Reise im Jahr 1938 zur Kenntnis nehmen. Doch mit dem Münchener Abkommen im Oktober
1938 wurde ein möglicher Krieg in Europa noch einmal verhindert. Für England und Frankreich

aber blieb der Eindruck eines kaum zu überwindenden Festungswerks, das immer noch weiter
ausgebaut wurde. Auch die Propaganda lief weiter und veröffentlichte bewusst Bilder von großen
Bauwerken mit Deckenstärken bis zu 3,50 m. Mit einer zweiten Reise zum Westwall im Jahr
1939 wurde das Interesse Adolf Hitlers am Westwall verdeutlicht. Bis in den Sitzkrieg hinein
wurden auch ausländische Medienvertreter an den Westwall geführt, denen bewusst nur die fertigen
und starken Anlagen, teilweise mit ihrer Ausstattung, gezeigt wurden. Die dabei gewonnenen
Eindrücke wirkten sowohl 1939/40 als auch 1944/45 auf die militärischen Planungen der westlichen
Alliierten massiv ein.

Abb. 5: Zweimal ließ sich der Führer persönlich den Fortschritt der Baumaßnahmen in den Westbefestigungen
vorstellen. Hier besichtigt er bei seiner zweiten Reise eine der schweren Marinebatterien im Westwall
am Oberrhein und wird von dem dortigen Personal in die Schuss-Sektoren und Reichweiten dieser Geschütze
eingewiesen. Foto: Archiv Backes.

 

 

Kriegsbeginn 1939/40


Mit dem Beginn des 2. Weltkriegs im September 1939 fiel die Westfront in eine gewisse Starre,
die von dem Begriff des Sitzkrieges oder des „Drole de guerre“ geprägt wurde. Diese Zeit wurde
auf beiden Seiten der Front zum Bunkerbauen genutzt. Beim Westwall ging es dabei um die
Fertigstellung von Bauwerken, um die Verbesserung von erkannten Schwächen fertiger Anlagen,
aber auch um den Neubau weiterer Bunker. Die Truppen, die in den Westwall einzogen, bauten
auf den Rückseiten trotz Verbots oftmals Baracken, da die – im Verhältnis zum verfügbaren

Platz – hohen Belegungszahlen in den Bunkern keine wohnliche Atmosphäre zuließen. Bis in den
Mai 1940 hinein blieb es, abgesehen von gelegentlichen Erkundungen und Artillerieeinsätzen,
ruhig. Mit dem 10. Mai 1940, dem Beginn des Westfeldzugs, änderte sich dies. Die Front wurde
lebhafter, die Schusswechsel nahmen zu. Dies bekamen auch die Besatzungen der Bunker direkt
am Rheinufer zu spüren. Ihre Bauwerke waren vom anderen Ufer aus gut sichtbar und wurden
entsprechend unter Feuer genommen. Bereits Mitte Mai 1940 und später Mitte Juni 1940 traten
am Oberrhein die dort eingebauten schweren Marinegeschütze in Aktion. Sie waren 1938 als
sogenannte „Vergeltungsbatterien“ aufgebaut worden und sollten mit ihrer großen Reichweite
ausgewählte Ziele im Elsass beschießen. Dazu gehörten u. a. Ziele in Hagenau, Straßburg und
Mühlhausen. Ihre Schusstätigkeit wurde von der Bevölkerung teilweise als Attraktion wahrgenommen.
So legte sich bei einer dieser Batterien die Dorfjugend in unmittelbarer Nähe der schießenden
Geschütze auf den Gegenhang und verfolgte von dort aus den Flug der Granaten. Für den
Rheinübergang der 7. Armee zwischen Breisach und Kappel kurz vor dem Ende des Westfeldzugs
diente der Westwall als Ausgangsbasis.

Abb. 6: Ein schweres Marinegeschütz am Oberrhein nimmt 1940 Ziele im Elsass unter Beschuss. Aus: Die
Marinegeschütze des Westwalls am Oberrhein, S. 368.

 

1944/45
Nach dem Ende des Westfeldzugs hatte der Westwall seinen Zweck erfüllt und ausgedient. Alle
nicht fest mit den Bauwerken verbundenen Teile wurden ausgebaut, eingelagert und anschließend
am „Neuen Westwall“, dem späteren Atlantikwall, eingebaut. Die Westwall-Bunker wurden
nun als Luftschutzanlagen, Kartoffelkeller oder Archivlager genutzt. Aber auch eine Nutzung
als Ziel für den sonntäglichen Ausflug war möglich. Was zuvor unter dem Deckmantel der Geheimhaltung
verboten war, wurde nun zumindest geduldet: das Fotografieren von militärischen
Bauwerken. Mit der Landung der Alliierten auf dem europäischen Festland in der Normandie
und an der französischen Mittelmeerküste änderte sich die Betrachtungsweise. Alle nicht militärischen
Nutzungen mussten aufgegeben werden, der Westwall wurde rearmiert. Dazu gehörte
aber nicht nur der Westwall in seiner ursprünglichen Linienführung an sich, sondern auch die
neu zu errichtende Vor-Vogesen- und die Vogesenstellung. Dazu wurden nun die Hitlerjugend,
Frauen und ältere Männer, aber auch Kriegsgefangene eingesetzt. Sie mussten „Schanzdienst“
leisten und dabei Schützengräben sowie Panzergräben bauen. Alle Baumaßnahmen litten unter
Zeit-, Material- und Kräftemangel, dem Wetter und den immer stärker werdenden alliierten Luftangriffen. In der Vogesenstellung wurde das Material zwar noch angeliefert, doch trafen dort die
Alliierten bereits im November 1944 vor der Fertigstellung der Bauwerke ein. Mit dem Erreichen
des Rheins bei Straßburg und Mühlhausen durch die Alliierten ebenfalls im November 1944
wurde der Fluss wieder zur Frontlinie. Inzwischen hatte sich seit 1940 auch die Waffentechnik
schnell weiterentwickelt. Deshalb hatten die Bunker direkt am Rhein oft dem Beschuss durch
Geschütze und Panzerkanonen nichts mehr entgegenzusetzen. Dies führte wiederum dazu, dass
bei zwei Regelbauten, die am Oberrhein am häufigsten vorkamen, in den feindseitigen Räumen,
die ursprünglich zur Aufnahme von Maschinengewehren dienten, Sandsäcke eingelegt und die
Anlagen nur noch als Mannschaftsunterstände genutzt werden sollten. Nur bei einer der schweren
Marinebatterien am Oberrhein gelang die Rearmierung. Ihre beiden Geschütze nahmen ab Januar
1945 bis in den April 1945 wieder Ziele im Elsass unter Beschuss. Sie konnten erst durch einen
dreitägigen Kampf Mitte April 1945 zum Schweigen gebracht werden. Die Bevölkerung in deren
direkter Umgebung litt darunter schwer.

Abb. 7: Der Bau von Schützengräben, Schützenlöchern, Erdstellungen und Panzergräben ist charakteristisch
für die Rearmierungs-Phase der Westbefestigungen 1944. Selbst in alten Befestigungsanlagen wie der
Röschenschanze im Schwarzwald wurde dazu gegraben. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 8: Auf die Panzerabwehr wurde 1944 großen Wert gelegt. Da moderne mobile Panzerabwehrkanonen
kaum verfügbar waren, wurden Türme von Kampfpanzern wie die „Pantherturm“ oder aus Panzern ausgebaute
Waffen ortsfest zum Einsatz gebracht. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 9: Für die Infanterie wurden neben Erdstellungen auch „Panzernester“ eingebaut, aus denen heraus
ein Maschinengewehr eingesetzt werden konnte. Mit Rädern mobilgemacht, konnten sie an Schwerpunkten
der Front aufgestellt werden. Foto: F. Brouwers.

Abb. 10: Bereits 1939/40 erkannt, deckte der Beschuss der über den Rhein hinweg gut sichtbaren Bunker
deren Schwächen erneut auf. In dieser Frontwand eines Rheinuferbunkers erzielten die Kanonen alliierter
Panzer einen Durchschlag. Foto: Friedrich Wein.

Sprengungen
Gefassten Beschlüssen entsprechend begannen
die Alliierten nach dem Ende des 2.Weltkriegs
umgehend mit der Sprengung und Unbrauchbarmachung
der Bunker. Dies wurde u. a. dazu
genutzt, Fundmunition zu entsorgen, die zuvor
von deutschen Kriegsgefangenen in die
Bunker gebracht worden war. In den Fällen,
in denen eine Sprengung nicht möglich war,
wurden die Bunker mit Beton und Bunkerschutt
aufgefüllt. Der in den Bunkern eingebaute
                                                                                 Stahl, darunter auch H-Profil-Träger unterschiedlicher
 Abb. 11: An dieser gesprengten Bunkerdecke        Höhen, wurde ausgebaut und
               ist aufgrund des Verlaufs der Risse         der Wiederverwertung zugeführt. Dabei kam
               die Lage der Sprengladung gut                es auch zu tödlichen Unfällen, da die Bunker
               erkennbar Foto: Friedrich Wein.             selbst durch die Sprengungen instabil geworden waren.

Abb. 12: Solche Stahlträger waren als Deckenträger und verlorene Schalung in den Bunkern eingebaut.
Foto: Friedrich Wein.

Abb. 13: Mit einem Bildstock wird bis heute an einen tödlichen Unfall erinnert, der sich beim Ausbau von
Bewehrungseisen und Stahlträgern ereignete. Aus: Die Marinegeschütze des Westwalls am Oberrhein, S 594.

 

 

Ignoranz und Weiternutzung
Die gesprengten Ruinen verkamen rasch. Folgesprengungen führten teilweise zu Gerichtsprozessen,
in denen auf Schadenersatz geklagt wurde, da die Sprengtrümmer Ackerland und Obstgärten
beeinträchtigten. Ansonsten fanden sich die Grundstückseigentümer und die Bevölkerung rasch
mit den Trümmern ab und ignorierten sie nach und nach. Zu sehr war der Westwall von der Überhöhung
in die Bedeutungslosigkeit gefallen. Nicht jedoch einige seiner Anlagen: Sie hatten früh
das Interesse des Militärs oder der Behörden geweckt. Dazu gehörten insbesondere Wasserbunker
bzw. -behälter, aber auch unterirdische Hohlgangsanlagen. Sie wurden als Depots für militärische
Güter, aber auch als Gefechtsstände weitergenutzt. Mindestens ein Geschützbunker diente als
Fundament für eine Parabol-Antenne zur Übermittlung von Nachrichten über weite Strecken. Mit
teilweise erheblichem Aufwand wurden dieser neue Gebrauch und dessen Unterhalt ermöglicht.
Eine besondere Nutzung erfuhr eine Hohlgangsanlage am Oberrhein. Kurz vor ihrer Sprengung
wurde ein Vorschlag eines städtischen Mitarbeiters aufgenommen und der komplette Hohlgang
zu einem Wasserbehälter umfunktioniert.

Abb. 14: Gesprengt und vergessen – ein Westwall-Bunker am Waldrand. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 15: Der Schriftzug „Defense de fumer“ weist auf den neuen Nutzer hin. Die damit versehene Westwall-
Hohlgangsanlage wurde als Gefechtsstand der in Deutschland stationierten französischen Streitkräfte
weitergenutzt. Foto: Friedrich Wein.

 

Beseitigung
Neben dem Ignorieren und der Weiternutzung gab es noch eine weitere Möglichkeit, sich mit
dem Westwall bzw. dessen Trümmern auseinanderzusetzen: die restlose Beseitigung. Als Rechtsnachfolger
sah sich der Bund zur „Gefahrenbeseitigung an ehemaligen Westwall-Anlagen“ verpflichtet.
Geschah dies zunächst noch für den Ausbau von Wasserstraßen wie dem Rhein oder zur
Erschließung von Baugebieten, wurde diese Begründung für die mit hohem finanziellen Aufwand
an Steuergeldern durchgeführten Arbeiten immer unglaubwürdiger. Zu tief waren die Anlagen
inzwischen im Auwald versteckt, um überhaupt noch fußläufig erreicht zu werden. Vielmehr
ging es inzwischen darum, diese „Schandflecken“ und „Störenfriede“ für immer dem Vergessen
zu übergeben.

Abb. 16: Ein in Baden-Württemberg seltener Regelbau23 wurde erst im Jahr 2015 im Rahmen des IRP am Oberrhein beseitigt. Geschah dies früher ohnejegliche Dokumentation, kann diese inzwischen inden meisten Fällen durchgeführt werden. Foto: M.
Truttenbach.

Abb. 17: Mit jeder Bunkerbeseitigung gehen auch kleine Details wie diese Hochwassermarke vom24.05.1939 verloren. So hoch stand damals der Rhein und machte den Bunker für einige Zeit unbrauchbar. Foto: T. Eck.

Abb. 18: Ebenfalls zu den kleinen Details gehört dieser Markierungsstein eines Panzergrabens. Bei Säuberungsarbeiten an Gewässern wie nassen Panzergräben werden solche Kleindenkmale meistens übersehen und gehen für immer verloren. Foto: M.Truttenbach.

Abb. 19: Umfangreiche Dammsanierungen fordern ihren Tribut von den Westwall-Bunkern. An keinem
Damm blieben die Bunker bislang bestehen, sie wurden alle entfernt. Foto: G. Blödt.

 

 

 

Natur, Denkmal und Öffentlichkeit


Dort, wo die Bunkerruinen von der Natur vereinnahm twurden, entstanden rasch Nischen innerhalb einer oft intensiv genutzten Landund Forstwirtschaft, sei es als Grünzug bei den oft kilometerlangen Panzerhindernissen, den sogenannten „Drachenzähnen“, sei es als Insel oder als Trittstein für wandernde Wildtiere. So entdeckte der Naturschutz bereits
früh den Nutzen der Westwall-Bauwerke. Trotzdem ging der Substanzverlust weiter. Nachdem es in Baden-Württemberg schon
in den 90er Jahren erste Kontakte mit dem Denkmalamt in Bezug auf die Denkmalwürdigkeit der Westbefestigungen gegeben
hatte, war es genau dieser Substanzverlust inzwischen auch von der Bevölkerung und dem Naturschutz massiv zur Kenntnis genommen  ,der letztendlich dazu führte, dass die Westbefestigungen in diesem Bundesland seit dem Sommer 2005 unter Denkmalschutz stehen. Der Denkmalcharakter wird seither  durch Führungen, Vorträge, Veröffentlichungen, Ausstellungen und öffentlich zugängliche Bauwerke weitergegeben. Somit beginnt für die Westbefestigungen eine neue Phase der Wahrnehmung, auch wenn aufgrund der Entscheidungen, die in den vorausgegangenen Jahrzehnten über sie getroffen wurden, oft nur noch ein Hügel in einer Wiese von ihrer Existenz kündet.

Abb. 20: Trotz seines Nutzens für den Naturschutz ging der Substanzverlust weiter, insbesondere als nach dem Ende des „Kalten Krieges“ zahlreiche Kasernen aufgelassen wurden, in denen sich wie hier Bunker des Westwalls befanden. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 21: Eine Insel im landwirtschaftlich genutzten Bereich. Darunter verbirgt sich ein Westwall-Bunker,
der damit zu einem Trittstein wandernder Tiere, aber auch zu einem Ruheplatz für diese Tiere wird. Foto:
Friedrich Wein.

Abb. 22: Zu diesen Tieren gehören neben Wildkatzen und Luchsen auch Eidechsen, die sich auf dem warmen
Beton sonnen. Foto: S. Wein.

Abb. 23: Öffentliche Führungen zu Anlagen der Westbefestigungen zeigen das Interesse an Informationen
über sie. Foto: Friedrich Wein.

Abb. 24: Öffentlich zugängliche Befestigungsanlagen, wie hier auf der Hornisgrinde der ehemalige französische
Kommandobunker, der in Verbindung mit einer naheliegenden Flugabwehrstellung der 1939 entstandenen
Luftverteidigungszone West regelmäßig geöffnet ist, dienen ebenfalls dazu, die Geschichte dieser
Befestigungsanlage und deren Denkmalcharakter aufzuzeigen. Foto: Friedrich Wein.

Quellen
Bettinger, Dieter / Büren, Martin: Der Westwall. Die Geschichte der deutschen Westbefestigungen
im Dritten Reich, 2 Bde., Osnabrück 1990.
Groß, Manfred: Der Westwall zwischen Niederrhein und Schnee-Eifel, Köln 1982.
Kuhnert, Sascha / Wein, Friedrich: Die Marinegeschütze des Westwalls am Oberrhein, Königsfeld
2012.
Wein, Friedrich: Die Sperrstellen im Schwarzwald – Die Anfänge des Westwallbaus 1936. Ein
Beitrag zur Geschichte der deutschen Wehrbefestigungen in Baden-Württemberg, Königsfeld
2015.
Wein, Friedrich / Wein, Florian / Wein, Felix: Die Luftverteidigungszone West zwischen Nagold,
Neckar und Schwarzwald. Ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Westbefestigungen, Königsfeld
2010.